Viel Aufmerksamkeit, natürlich auch Kritik, erfuhr mein fundierter Blogbeitrag „Studien zu Wildbienen: Hausgärten retten Bestäuber“ auch und gerade, weil ich mittels aktueller Untersuchungen aus Deutschland und Großbritannien aufzeigen konnte, das das geht. Passend hierzu wurde im März dieses Jahres ein Buch veröffentlicht. Und dies nicht von irgendwem, sondern von einem der europaweit anerkanntesten Wildbienenexperten. Dave Goulsons „Wildlife Gardening“.
Dave Goulson heißt der Autor des aktuellen Buches „Wildlife Gardening. Die Kunst, im eigenen Garten die Welt zu retten“. Goulson ist Professor an der englischen University of Sussex, wo er eine Professur für Wildbienen, genauer, Hummeln innehat. In diesem Themenbereich hat der Wissenschaftler bis heute etwa 300 wissenschaftliche Beiträge und mehrere Bücher veröffentlicht.
Ein Expertengremium hat in zu einem der einflussreichsten Menschen im britischen Naturschutz ernannt. Und seine Erkenntnisse, die er in seinem aktuellen Buch beschreibt und belegt, sind sehr er- und einleuchtend und manifestieren oben genannte Erkenntnisse anderer Forscher.
„Wildlife Gardening“
Das Buch des Bienenexperten Dave Goulson ist spannend zu lesen, teils mit einer typischen Prise englischem Humor verfasst, auf- und erklärend zugleich. Das im März 2019 erschienene Buch war in der Juniliste Spiegelbestsellerliste für Sachbücher im Bereich „Natur & Garten“ auf Platz 4. Neben der Unterhaltsamkeit ist es aber vor allem auch aufklärend.
Blühpflanzen haben keine Abwehrstrategie
Schon auf den ersten Seiten seines Buches macht er einen gedanklichen, erklärenden Ausflug in die Welt der Blühpflanzen. Seiner Meinung nach haben Blühpflanzen keinerlei Abwehrstrategien für Bestäuber, im Gegensatz zu Pflanzenfressern.
Warum sollten sie das auch haben, schließlich haben Blühpflanzen – von überzüchteten und gefüllten Hybriden einmal abgesehen – ein Ziel: Sie wollen bestäubt werden. Gleichzeitig, so erklärt Dave Goulson, sind Bestäuber auch nicht so spezialisiert wie herbivore Larven oder Insekten, im Gengenteil, sie seien sogar recht anpassungsfähig. Letztlich sei es einer Biene egal, ob eine Pflanze heimisch sei oder aus Chile, Südafrika oder Australien. Schließlich würden sich heimische Bienen und Schmetterlinge nun auch nicht von jenen in den genannten Ländern unterscheiden.
Natürlich sollten sie offenblütig sein, damit die Bestäuberinsekten an ihre Nahrung, also Nektar und Pollen gelangen können.
Vielfalt ist Trumpf
Der Bienenexperte führt in seiner Argumentation eine Studie der University of Sheffield auf, bei der die Vielfalt der Insekten in 60 Hausgärten untersucht wurde. „Ken Thompsons Untersuchung von Gärten in Sheffield ergab, dass die Insektenvielfalt mit mehr heimischen Pflanzenarten nicht merklich größer war,“ schreibt der Autor. Und weiter erklärt Goulson „der beste Indikator war einfach die Anzahl an unterschiedlichen Pflanzenarten und das Pflanzenvolumen insgesamt“. Ob heimisch oder nicht…
Gleichzeitig bemängelt er die offiziellen, von Vereinen oder sonstjemand erstellten Listen bienenfreundlicher Pflanzen, die von verschiedenen Organisationen wie der renommierten Royal Horticultural Society veröffentlicht wurden. Sie seien alle derart unterschiedlich, in keinster Weise wissenschaftlich belegt und viele wirklich nützlichen Blühpflanzen würden hier fehlen. Manche Liste, so zitiert er seinen Kollegen Ken Thompson, lese sich, „als wäre sie an einem späten Freitagnachmittag zusammengebastelt“ worden. (in Deutschland sieht das nicht sonderlich anders aus)
Als Beispiele für Pflanzen, die auf allen Listen erst gar nicht oder selten auftauchen, nennt Goulson zwei seiner (und meiner) Favoriten. Dies sind die Duftnessel (Agastache) und offenblütige (!) Dahlien, wie beispielsweise jene aus der Bishop- und Honka-Gruppe oder Halskrausen-Dahlien. Letztere werden, wie zahlreiche andere nichtheimische Pflanzen, übrigens hierzulande, etwa von Apis e.V. oder dem Deutschen Imkerbund, als Bienenweiden empfohlen. Eine weitere Ausländern, die er nennt, aus Nordamerika, ist die Phacelia, auch „Bienenfreund“ genannt. (Anmerkung: „Inkonsequenterweise“ wird sie in Deutschland) auch sie als Bienenweide sehr empfohlen, trotz ihres Ausländerstatus.
Auch der Lavendel, Cosmeen oder der Sommerflieder werden in seinem Buch genannt. (Anmerkungen: Letzterer gilt unter Puristen als so gar nicht hilfreich, nur, weil ein einziger deutscher Experte mal behauptete, der Flieder sei giftig für Falter. Was, nebenbei gesagt, in keinster Weise belegt ist. Andere sagen, das pflanzenfressende Insekten(larven) hier keine Nahrung finden… Stimmt, aber man kann ja anderes auch noch pflanzen…)
Goulsons Tipp für all jene, die bienenfreundliche Pflanzen kaufen möchten, aber die sich nicht so auskennen: An einem schönen Tag in eine Gärtnerei oder einen Gartencenter gehen und beobachten, welche Blühpflanzen besonders häufig von Insekten angeflogen werden. Dies sei unter anderem schon ein guter Indikator für die richtige Auswahl. So wirklich unnütze Blüher wie Petunien und Geranien schließt er natürlich aus.
Verkannte Gefahr Spot-On
Nicht zuletzt weist der absolute Gegner von Pestiziden, Befürworter vom Eigenanbau und dem Kauf von Bioprodukten, in seinem lesenswerten Buch auf ein weiteres, sehr unterschätztes Anwendungsfeld von Pestiziden hin: Spot-Ons für Hunde und Katzen gegen Zecke, Floh und Co.
Die Wirkstoffe von Spot-Ons für Katzen und Hunde werden in ihren Gebrauchsanweisungen stets als Antiparasitikum bezeichnet. Klingt ja jetzt irgendwie harmlos, oder? Dabei sind es schlichtweg Pestizide aus der Gruppe der Insektizide. Kein Wunder, sollen sie ja Flöhe, Zecken und anderes, unangenehmes Getier vom lieben Haustier abhalten.
Manche Wirkstoffe zählen sogar zu den Neonikotinoiden, also jeder besonders umstrittenen Gruppe von Pestiziden, die Bienen besonders schaden sollen. Doch, was heißt besonders? Goulson meint, dass als „bienenfreundlich“ gekennzeichnete Pestizide Zauberei seien.
In seinem Buch „Wildlife Gardening“ beschreibt er eine Untersuchung, wonach ein Spot-On für einen mittelgrossen Hund eine Vergleichsmenge von 60 Millionen Bienen töten könnte. Also theoretisch. Die Untersuchung jedenfalls belegte, dass ein badender Hund (Tests wurden in einer Badewanne durchgeführt), bis zu 86 % dieses Pestizids wieder abwäscht. Man kann sich die Folgen eines in den Teich, See oder Fluss hüpfenden Hundes nur vorstellen… Und da sich diese Pestizide im ganzen Körper verteilen, würden sie etwa durch ihren Urin sicher ebenfalls in der Umwelt landen.
Erschreckendes und Nützliches
Weiter beschreibt Dave Goulson den Wahnsinn der ja fast schon pestizidverliebten US-Amerikaner und gibt sehr, gibt sehr gute Einblicke und Tipps in das Leben und die Wichtigkeit eines Teichs, das Leben und die Bedeutung von Nachtfaltern (ja, hier helfen auch heimische Pflanzen und sind natürlich wichtig, aber auch der Flieder wieder und andere, nichtheimische Blühpflanzen), was für einen Nutzen ein vernachlässigter, pestizidfreier Rasen hat, wie wichtig Ameisen und Würmer sind. Alles wichtige Gartenbewohner und Gartenbesucher.
Was viele Menschen nicht auf dem Schirm haben: Der Schaden, den die Stadtimkerei den Wildbienen zufügt. Auch zu dieser Problematik weist er die Gründe auf. Diesem Thema werde ich mich in Bälde hier widmen. Ein Beitrag von mir hierzu wird auch in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift Gartenpraxis zu lesen sein.
Zudem widmet sich der Autor dem mehr als nachhaltigen Gemüseanbau. Hier bringt er einen nachdenklich machenden Vergleich: Versierte Schrebergärtner (oder eben jene, die Gemüse im Garten anbauen) können 31 – 40 Tonnen Ertrag an Obst und Gemüse je Hektar erzielen. Dagegen erntet ein Landwirt beispielsweise 3,5 Tonnen Rapssamen oder 8 Tonnen Weizen. Während der Gemüsegärtner keinerlei Gifte ausbringen muss, spritzt der Landwirt bis zu 20 Pestizide in einer Saison…
Interview mit dem Bienenspezialisten
Nach der Buchlektüre habe ich dem Professor ein paar Fragen gestellt. Hauptsächlich ging es mir darum, wie wir alle, selbst im kleinen Garten (und natürlich auch auf Balkonien), Insekten und besonders den Wildbienen helfen können.
Auf die Frage, was jeder einzelne Garten und alle in ihrer Gesamtheit leisten können, um die Natur zu retten, meint Dave Goulson: „Es gibt keinen Zweifel, dass Gärten viele Lebewesen unterstützen können, weitaus mehr, als es die intensive Landwirtschaft tut.“
Und weiter sagt der Naturschützer „Großbritannien zum Beispiel, hat etwa 500.000 Hektar Gartenfläche, damit eine größere Fläche als alle Naturschutzgebiete des Landes (Anmerkung: In Deutschland ist die Fläche der 17 Mio. Gärten etwa identisch mit der Fläche aller Naturschutzgebiete, plus mehr als 30 Mio. Balkone). Zudem wissen wir, dass etwa die Hummel-Populationen in urbanen Regionen größer als in von Landwirtschaft geprägten Gegenden sind.“
Seine Überzeugung ist „städtische Gebiete haben das Potenzial, zu enormen Naturschutzgebieten zu werden. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass sie die seltensten und am meisten spezialisierten Spezies im Tierreich unterstützen.“ Leider schafft dies ein noch so sorgsam angelegter Garten mit nur heimischen Pflanzen auch nicht.
Zudem wollte ich wissen, was er von der vielverbreiteten These hält, nur Heimisches zu pflanzen, um den Bestäubern zu helfen. Manche Kritiker bezeichnen „normal“ bepflanzte Gärten sogar als schädlich, mindestens unnütz, was ich in sehr einseitigen Diskussionen bereits selbst erfahren habe. Also jene, in die viele von uns einen kunterbunten Mix aus Blühpflanzen setzen.
Dave Goulson hierzu: „Ich stimme der Idee zu, dass man mehr heimische Pflanzen im Garten pflanzen sollte, nicht zuletzt, da sie dazu neigen, pflanzenfressende Insekten wie die Larven von Tag- und Nachtfaltern zu unterstützen.“ Weiter gibt er die Empfehlung: „Nichtsdestotrotz gibt es keinen Grund, von der Idee besessen zu sein, und Bestäubern ist es egal, ob eine Pflanze heimisch ist oder von der anderen Seite der Welt stammt. Solange sie viel Nektar und Pollen bietet, an die die Tiere auch rankommen.“
Schließlich wollte ich kurz und knapp seine 5 Top-Tipps wissen, die jeder Hobbygärtner beherzigen sollte, will er einen bienen- und insektenfreundlichen Garten anlegen.
Seine Empfehlungen:
- Benutzen Sie keinerlei Pestizide, so etwas bedarf es in einem Garten nicht.
- Pflanzen Sie bienenfreundliche Pflanzen.
- Mähen Sie den Rasen weniger häufig und wenn Ihr Garten groß genug ist, lassen Sie ein Stück Rasenfläche wachsen und mähen Sie sie nur einmal im Jahr.
- Bauen oder kaufen Sie ein Bienenhotel.
- Kaufen Sie keine Pflanzerde, die Torf enthält.
Landschaftsgärtner und Gartenplaner sollten sich ebenfalls an diese Tipps halten, so Goulson.
- Mein Stichwort hierzu: Von Profis angelegte Schotterwüsten und „Rettet den Vorgarten“… Weiterführende Informationen zu dieser Diskussion, heimisch versus nichtheimisch im Link oben im Text.
Ein in jeder Hinsicht lesenswertes und aufschlussreiches Buch, das aufgrund seiner Unterhaltsamkeit und Aufklärungsarbeit auch für jeden urbanen Balkongärtner mit Interesse an der Natur. Übrigens: Ich habe noch längst nicht alles verraten, was in dem Buch steht. 🙂
Dave Goulson
Wildlife Gardening
(übersetzt von Elsbeth Ranke)
304 Seiten
Hanser Verlag
ISBN 978-3-446-26188-4
Deutschland: 24,00 €
Österreich: 24,70 €
ePUB-Format
E-Book ISBN 978-3-446-26359-8
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