Warum die Landwirtschaft von (Natur-)Gärtnern lernen kann

Landwirtschaft nachhaltiger werden muss und sie bei Natur-Gärtnern was lernen kannGeht es Euch auch so? Meldungen zur Landwirtschaft, nötige Maßnahmen, Vorlaufzeiten von 10 oder 15 Jahren und was tatsächlich gemacht wird, sind mehr als anstrengend. Eine Hundegassi-Verordnung, wie schön, aber die arme Sau bleibt eingepfercht, Pestizide dürfen ja nicht reduziert werden und die empörte Bauernschaft fährt mit den dicken Traktoren quer durchs Land zu Demos. Warum? Weil ihre Existenz bedroht ist, sagen sie. Mag stimmen, aber ich wage mal einen Vergleich: (Natur-)Gärtner vs. Agrar(-Industrie).

Wir lieben Lebensmittel

Ich weiß gar nicht, wie viele Facebook-Gruppen es gibt, in denen mit Rat und Tat jeder Neugierige Hilfe bekommt, mit Leidenschaft ob der tollen Ernte diskutiert, gefachsimpelt und gelobt wird. Nur so als Beispiel. Wir Hobbygärtner machen da was mit Leidenschaft. Frischer und vor allem gesünder geht nimmer, was wir da so alles ernten. Da gibt es die Tomatensamensammler (wie ich), die stets auf der Suche nach phantastischen, meist alten Sorten sind. Da sind die Bio-Samenfreaks, die fast vergessene Gemüsesorten anbauen und jene, die ihre großen Grundstücke mit stets neuen Obstbäumen spicken und darunter, wie selbst verständlich, eine heimische Naturwiese aussäen. Es summt und brummt in immer mehr Gärten, weil wir erkennen: Es muss etwas getan werden und, ja, wir lieben Lebensmittel, die wir gerne ganz „öko“ anbauen. Warum? Weil es nachhaltig ist, Ressourcen und die Umwelt schont. Und: Weil es super funktioniert. Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass es sogar viel besser funktioniert.

Auf der anderen Seite haben wir da die Landwirtschaft. 50,8 % der Gesamtfläche Deutschlands sind es, die laut Umweltbundesamt von Landwirten beackert werden. Wie ist das bei Euch in der Umgebung? Wächst da auch jedes Jahr das Gleiche? Raps, Mais, Zuckerrüben, Getreide? Immer wieder die gleiche (kleine) Auswahl, Jahr für Jahr. Da wird optimiertes Saatgut von Konzernen ausgebracht, die die passenden Mittelchen im Kampf gegen die Natur auch gleich parat haben. Ja, Getreide wird sogar zum Absterben nochmals richtig mit Pestiziden eingenebelt, damit es besser zu ernten ist.

Zudem wird überdüngt, um maximale Ergebnisse zu erzielen, spätestens aus dem Grund, da der Boden unter des Bauers Füßen schlicht und ergreifend leblos ist. Angebaut wird nicht unbedingt dafür, dass wir uns damit ernähren können, nein, vieles fließt in die Futteranlagen der riesigen Mastbetriebe für Fleisch für den Export. Mais und Co. wird gerne auch für Biogasanlagen angebaut, obwohl das auch mit der Gülle vom Mastbetrieb, als Beispiel, ginge.

Spätestens bei Bildern aus der konventionellen Tierhaltung entsetzen sich auch den letzten Ignoranten. Ob sie ihr Einkaufsverhalten in den Läden der den Preis bestimmenden Handelsketten ändern, sei da dahingestellt. Überhaupt, getan wird hier nicht viel. Sei es vom Landwirt, der Politik oder dem Verbraucher. Und ohne (EU-)Subventionen geht es schon lange nicht mehr.

Doch, jetzt, vielleicht. Denn bei Frau Klöckner – jeder kennt im Lande die ehemalige Rheinland-Pfälzer Weinhoheit – wird Tacheles geredet. Zumindest hat es den Anschein. Vom Minister über den Umweltschützer und dem Bauern sitzen sie jetzt bald an einem Tisch. Das hat sie gesagt ob der demonstrierenden Bauern beim letzten Ministertreffen. Um über etwas zu diskutieren und Maßnahmen zu ergreifen. Über Maßnahmen, die eigentlich bereits längst klar sind.

Im Folgenden will ich mal versuchen, einen Vergleich anzustellen. Natürlich ist alles nicht 1:1 umsetzbar, aber spätestens der Hundegassi-Erlass, bei gleichzeitiger Sicht auf entsetzliche Schweineställe, Turbokühen, auf den Fakt der Bodenerosion, der Überdüngung, der unsäglichen Pestizideinsatz, und so weiter und so fort macht vielleicht mal eine andere Sicht nötig.

Boden ist Leben

Jeder Hobbygärtner macht es anders, doch wer nachhaltig gärtnert, der weiß, nur auf gutem Gartenboden gedeiht das beste Gemüse, erstrahlen die Rosen und andere Blühpflanzen erst in ihrer ganzen Pracht. Von Magerwiesen natürlich abgesehen.

Wie sagt mein 80-jähriger Nachbar: „Wo nichts reinkommt, kommt auch nichts raus“. Nur ein gesunder Boden bringt gute Erträge und lässt das Blumenbeet herrlich erblühen. Und jeder macht es etwas anders mit der Bodenaufbereitung, aber wieder vermehrt auf sanfte und natürliche Weise. Die einen schwören auf Kompostgaben, die anderen auf mulchen, Urgesteinsmehl oder natürliche Jauchen. Alle bewusst arbeitenden Gartenbesitzer haben hierbei ein gemeinsames Ziel: Die Gesundheit des Bodens zu erhalten, idealerweise zu verbessern, wichtige Mikroorganismen und wertvolles Bodenleben zu aktivieren sowie ein weiteres: Das Wasserhaltevermögen zu verbessern. Das bedeutet so manche Mühe, aber Erfolg ist, was zählt.

  • Mehr Informationen zum klimafesten Garten, der weniger Gießwasser benötigt, habe ich hier.

Auf der anderen Seite steht die Bauernschaft, 12 Prozent Bioanbau (was Gemüse zumindest angeht in Deutschland) mal ausgeklammert. „Wie man den Acker bestellt, so trägt er“, ein alter Spruch, der in die gleiche Richtung zielt, wie der meines Nachbarn. Mit der Nitratbelastung, von der immer häufiger in Sachen Trinkwasser die Rede ist, passt das nicht zusammen.

Ich habe an anderer Stelle mal die Fakten der intensiven Landwirtschaft gesammelt und in Sachen Ackerboden heißt das beispielsweise, dass dieser nicht nur hierzulande völlig überdüngt wird. Aber Beileibe nicht nur mit der viel gescholtenen Gülle aus den großen (Schweine-)Mastbetrieben, die sich flüssiger Wirtschaftsdünger nennt. Gleichermaßen sorgt Kunstdünger für den gleichen Effekt. So kommt es, wohl gemerkt im Schnitt, zu 97 Kilo Nitratüberschuss pro Hektar und Anbaujahr. Das erklärt übrigens auch, dass an Grundwassermessstellen jenseits der großen Fleischproduktionszentren wie etwa in Niedersachsen, zu hohe Nitratwerte gemessen werden.

Überdüngung mit Methode

Die Überdüngung hat Methode. Nur ein Beispiel. Eine Düngergabe kurz vor der Ernte sorgt beim Getreide dafür, dass unter Idealbedingungen, was die Witterung angeht, mehr Protein in dem Korn produziert wird. Ähnliches gilt für Bioenergiepflanzen, also jene, die in Biogasanlagen Öko-Energie produzieren sollen. Auf ein 500 Quadratmeter großes Grundstück (1ha = 10.000 m²) heruntergebrochen wären das 4,85 Kilogramm Kunstdünger, die man jenseits der maximalen Aufnahmekapazität der Pflanzen zu viel ausbringen würde. Macht ein Hobbygärtner sowas? Ich würde mal sagen nein. Auch alleine aus dem Grund, dass das nicht nur mehr Geld kostet, sondern die Pflanzen schwächt durch unnatürlichem Wuchs.

Boden-Burnout: Alltag auf „misshandelten“ Äckern

Überdüngung, ergänzt durch Bodenerosion sind zwei der Hauptübel, die den Ackerboden massiv verschlechtern. Wo der Hobbygärtner wie gesagt stets dabei ist, den Boden auf natürliche Weise zu verbessern – viel aus macht hier das verbesserte Bodenleben –, da macht ihn der Durchschnittslandwirt kontinuierlich schlechter. Und das weltweit.

Die Agrarexperten der Vereinten Nation warnen vor einem „Boden-Burnout“. Mit hierfür verantwortlich ist eine massive Bodenerosion. Auch in Deutschland. Ackerböden die nur noch als Düngerträger dienen und gerne im Winter brachliegen, verlieren hierzulande 20 Tonnen an Masse pro Hektar. Auf den 500 m² großen Garten umgerechnet, wären das 1000 Kilogramm.

Von durchschnittlich 60 Ernten sprechen daher die UN-Agrarwissenschaftler, dann wäre bei aktuellen Status Quo auf vielen Äckern Schluss.

Mischkultur und Rotation vs. Monokulturismus und Fruchtfolge

Es gibt Gemüsegärtner, die sich einen Plan schreiben, was wann wo in ihrem Garten an Essbaren wachsen darf. Das ist schlau, denn dadurch werden Böden unter Umständen nicht so ausgelaugt und so manche Pest in der Erde hat so keine Chance. Gerne wird auch kunterbunt, aber mit System gemischt. Auch das macht Sinn und nennt sich Mischkultur. Letzteres soll zwar auch teilweise auf Mythen beruhen, doch der Kohlweißling ist dank der Kohl’schen Nachbarschaft zur Tomate tatsächlich selten bis gar nicht die Nemesis dem Tode geweiht.

Die Mischkultur ist natürlich nichts für den großen Acker. Oder doch? Na ja, nehmen wir doch mal eine Apfelplantage. Wir haben mal in der Nähe von einer gewohnt. Aus meinem Bürofenster konnte ich den Obstbauer regelmäßig mit seinem kleinen Traktor sehen, der zu seinen unzähligen Reihen mit auf Spalier gezogenen Äpfeln fuhr. Bis in die Nacht hinein. Von Frühjahr bis zum Spätsommer. Mit einem kleinen Hängerchen aus dem wenig später die hilfreichen Pflanzenschutzmittel nebelten. Früher gab es mal jede Menge Streuobstwiesen. Eine aussterbende Kulturform unter der alles wachsen durfte, was da wachsen wollte, Stichwort Wildblumenwiese, eine Mischkultur in Reinform. Ein Himmelreich für allerlei Getier. So etwas wächst auf solch Plantagen natürlich nicht mehr.

Von der Politik wird gefordert, leider eher alibimäßig und fatal, dass der Bauer Müller zumindest einen schönen Blühstreifen zwischen Acker und Zivilisation aussäen soll. Sieht ja auch schön aus. Nur, wird der Acker mit Umweltgiften gespritzt, dann werden die Bienchen, Schmetterlinge und Co. sprichwörtlich zum Schafott geführt.

Warum? Das nennt sich Abdriftverhalten. Global2000 erklärt den tödlichen Effekt:

In Sachen neuer Fruchtfolgen schrieb Agrarheute im mit „Neue Fruchtfolgen: Ackerbaulich top, wirtschaftlich Flop?“ betitelten Beitrag, dass sich besonders vielfältige Fruchtfolgen auch wirtschaftlich auswirken würden. Leider ist der Status Quo ein anderer, so Prof. Dr. Bernhard C. Schäfer von der FH Südwestfalen, Soest, in diesem Beitrag. Sie wird viel zu nachlässig durchgeführt. Und darin läge einer der Gründe der mannigfaltigen Probleme der modernen Landwirtschaft. (Zitat:)

„Die Ist-Situation sieht seiner Meinung nach folgendermaßen aus:

  • Wir haben eine geringe Kulturartenvielfalt mit engen getreidelastigen Fruchtfolgen.
  • Auf gut dreiviertel des Ackerlandes wächst Weizen, Mais, Gerste oder Raps.
  • Auf gut 45 Prozent der Ackerfläche steht Wintergetreide.
  • Auf mehr als der Hälfte der Fläche werden Winterungen* (= Winterkulturen wie Wintergetreide) angebaut.
  • Mit Ausnahme von Mais haben alle Sommerungen (neben Mais: Rüben, Kartoffeln, Sommergetreide) in den letzten 25 Jahren an Fläche verloren oder sind bedeutungslos geblieben.“

(*Wintergetreide wird vornehmlich angebaut, da der Ertrag durch eine längere Vegetationsperiode steigt und es Frühjahrstrockenheit besser übersteht.)

Zu den Fruchtfolgen muss man wissen, dass es in der Landwirtschaft ganz genauso ist, wie im eigenen Garten: Je länger etwas nicht auf einem Feld wächst, desto geringer ist der Verbleib von Krankheitserregern und/oder Schädlingen. Eben wie im Garten, in dem wir dann auch nicht so viel/gar nichts Schädliches ausbringen müssen.

Apropos Schädliches…

Vielfalt ist Trumpf, aber sie schwindet weiter

Die bekannte Krefelder Studie, die belegte, dass die Biomasse, also Zahl die Zahl der Insekten, in nur 25 Jahren um 75 Prozent zurückging. Und dies hat dramatische Folgen, wird laut Nabu übrigens ganz klar nicht auf den Klimawandel oder Biotopsveränderungen als Ursache aus. Nicht nur, dass etwa ein Drittel aller hierzulande angebauten Lebensmittel auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen ist. Die Kette geht ja weiter. Ohne Insekten leiden Vögel Hunger, finden Fledermäuse, Amphibien und anderes Getier kaum oder keine Nahrung mehr. Auch die Schädlingsbekämpfer in der Natur und in unseren Gärten gehen mitunter verloren. So manche Tierart im Lande landet auf der Roten Liste der gefährdeten Arten.

Ähnlich schlecht steht es um viele Vogelarten, die in den Monokulturen nicht nur keine Nahrung mehr finden – Insekten wie Sämereien -, sondern auch keine Brutmöglichkeiten mehr. Intensivnutzung des Landes, mehrere Mahden und keinerlei Rückzugsorte schaden insbesondere jenen Vögeln, die einst in landwirtschaftlich genutzten Bereichen ein Zuhause fanden.   Gerade Bodenbrüter wie Kiebitz, Grauammer oder Rebhuhn sind in ihren Beständen sehr gefährdet wie der Ornithologe Dr. Hans-Günther Bauer in einem Interview mit Mellifera e. V. mahnt. 

Der bedrohliche Umstand des Insektensterbens regt viel Besorgnis bei Hobbygärtnern und sie handeln entsprechend. Sie verzichten auf Gifte im Garten, setzen lieber Hausmittel ein oder schauen ungeduldig zu und fördern stattdessen die Biodiversität im Garten, indem beispielsweise fleißig Insektenfreundliches in die Beete kommt.

Selbst Pflanzenproduzenten und der Fachhandel haben ein Einsehen, spätestens nach einer Greenpeace-Studie zu Pestiziden an Zierpflanzen wurde hier reagiert. Pflanzen werden umweltfreundlicher produziert, Pestizide etwa auf Neonikotinoidbasis, fliegen aus den Regalen der Baumärkte. Warum? Weil sie als schädlich nicht nur für Insekten gelten, auch wenn das Bayer, Syngenta und Co. selbstredend und in leierhafter Manier verneinen.

Als Mitverantwortlicher für die Misere wurde die Landwirtschaft und die dahinterstehende Agrarindustrie trotzdem ausgemacht. Stichwort Pestizideinsatz. Der aber so dringend nötig wäre, wie es aus landwirtschaftlicher Sicht heißt.

  • Gewusst? Eine englische Studie hat belegt, dass 60 % des Bodenlebens bei Einsatz des Pestizid-Klassikers Glyophosat absterben.
  • Wie wir aktuell hören hat das Projekt der UN, Dekade der biologischen Vielfalt (2010 – 2020) alle für den Artenschutz gesetzten Ziele verpasst.
  • Laut einer Studie von 2019 ist die Landwirtschaft mit ihrem Pestizid- und Düngemitteleisatz mit 46,6 % hauptverantwortlich für das Insektensterben. (Direktlink zu den Studienergebnissen)

Es hilft nur eins: Die Geißel oder Seuche töten

  • Pestizid (von lateinisch pestis ‚Geißel‘, ‚Seuche‘ und lat. caedere ‚töten‘)

In einer intensiven Landwirtschaft scheint es kaum noch Alternativen zu geben. Monokulturen sind krankheitsanfällig, Aktion und Reaktion drehen sich im Kreis. Fachleute warnen, von hochrangigen Bauernvertretern bis hin zu Informationsmedium der Landwirtschaft wie Proplanta.de, dass Restriktionen im Pestizideinsatz zu mehr Importen führen könnten. Der heimische Anbau von Kartoffeln etwa sei ohne entsprechende Mittel nicht mehr möglich. Mindestens Einnahmeeinbußen seien der Fall.

Noch ein Wort zum Pestizideinsatz

  • Es heißt immer, es wird nicht mehr gespritzt, als nötig.
  • Nehmen wir mal den Apfelanbau: Von der Blüte bis zur Ernte werden in der Apfelplantage 31 x Pestizide eingesetzt (Quelle: Bundesamt für Lebensmittelsicherheit). Bei der makellosen Kirsche 15 x, bei Erdbeeren 14 x.
  • Doch die Grenzwerte für das jeweilige Mittel würden eingehalten, was Tests auch belegen. Nur: Es werden verschiedene Mittel eingesetzt, die in ihrer Kombinationswirkung ungeahnte Folgen haben. Für die tierische wie menschliche Gesundheit (weitere Informationen hierzu im zweiten Link oben).

Kein Hersteller würde freiwillig zugeben, dass ein Insektizid, Fungizid, etc. schädlich für die Umwelt ist.

Mit all den vorgenannten Punkten ruft man doch die Geißel aka Seuche überhaupt erst auf den Plan. Also wir Hobbygärtner wissen das. Und diese Agrarpolitik gibt Möglichkeiten aus dem Hamsterrad der konventionellen Landwirtschaft auszusteigen. Geld aus heimischen und EU-Fördertöpfen ist da. Nur mal so am Rande.

Freude über Ernte vs. Lebensmittelverschwendung

Viele leidenschaftliche Hobbygärtner können es gar nicht abwarten, das mit dem Aussäen. Da wird geplant und sorgsam vorbereitet, erst im Haus, später, wenn es das Wetter zulässt, direkt im Garten und Balkonien gesät und gepflanzt. Wir freuen uns selbst nach Jahren über jedes einzelne gelungene, erntereife Pflänzchen und die Früchte einer teils monatelangen Arbeit. 

Und auf der anderen Seite dann das: Im Schnitt verbleiben 12 Prozent des Ertrages auf dem Acker liegen. Bei Kartoffeln sind es regelmäßig 50 Prozent. Zu klein, zu groß, nicht gut genug. Manchmal ganze Ernten, weil die Natur einfach mal nicht mitgespielt hat und ein Idealmaß nicht erreicht wurde. Dann ab in die Sortieranlage, in der im Schnitt weitere 12 Prozent nicht gut genug für den Handel sind. Lebensmittelmüll, Lebensmittelverschwendung, Alltag in Deutschland und andernorts. Jetzt mag die Bauernschaft dagegenhalten, dass der Handel das schließlich so vor gibt. Während der Hobbygärtner seinem Ergebnis Respekt zollt und es wertschätzt, scheint es dem Bauern irgendwie egal. Achselzuckend wird das feine Grünzeug untergezackert. Und auf ein neues im nächsten Jahr. 

Eine zu einfache Sichtweise? Finde ich nicht. Früher fuhren unzählige Familien in unserer Region in die Pfalz, in der ich heute lebe. Da wurde im Herbst ein Ausflug gemacht, um nicht nur die Kartoffeln für die Einwinterung gleich säckeweise vom Bauern zu kaufen. Nicht nur von einem. Viele boten das vor gar nicht allzu langer Zeit einst an und natürlich waren hier Produkte in allerlei Größe dabei. Von irgendwelchen Normen keine Spur. Die interessierten selbstredend auch nicht, weil ‚das ist schließlich Natur‘. Diese Natur will man nun in Normen zwängen, alles andere ist egal.

Zahlen von Direktvermarktern sind schwer zu erfassen. Es wird geschätzt, dass 30.000 bis 40.000 der knapp 270.000 landwirtschaftlichen Betriebe ihre Produkte selbst vermarkten. Dass landwirtschaftliche Topmedien wie Agrar Heute (2012) oder Top Agrar (2020) die Vorteile und Möglichkeiten präsentieren scheint vielen Bauern egal. Laut einer Studie sinke die Zahl der Direktvermarkter kontinuierlich. Im konventionellen Bereich, wo vielleicht auch die Vielfalt der Kulturen (siehe oben) fehlt. Nicht so übrigens, so gleiche Studie, bei den Ökobauern. Hier sei der Anteil an Betrieben, die ihre Produkte verarbeiten und direkt verkaufen, mehr als drei Mal so hoch. Man mag sich fragen, warum das so ist. Jedenfalls ist es einfacher nur einen oder wenige (Groß-)Abnehmer zu haben, aber auch deutlich unsicherer wie eine der zahlreichen Wege der Direktvermarktung zu nutzen wie sie der Kritische Agrarbericht 2016 vorschlägt.

  • Mehr Informationen zu Lebensmittelmüll und Lebensmittelverschwendung und Initiatoren, die etwas dagegen unternehmen, gibt es hier.

Beispiel: Quo vadis Kartoffel?

Zurück zu dem Beispiel der Kartoffel. Da mag man fragen, warum hat die Vielzahl an deutschen Kartoffelfans noch Kartoffeln in seinem Garten, wenn doch der Pestizideinsatz reduziert werden soll? Ja selbst in Kübeln und Pflanzsäcken gedeihen sie prächtig. Alles ohne mit der Giftspritze zu agieren? Laut Landwirtschaftsdenke schließlich unmöglich.

Die Antwort hat der Ökolandbau. Auf dem gleichnamigen Informationsportal der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) wird der Minderertrag bei Biokartoffeln bestätigt. 50 – 60 Prozent kommen auf einem Bioanbau mengenmäßig lediglich nur heraus. Doch, so wird auch betont, die Einnahmen bleiben aufgrund des höheren Preises mindestens gleich. Ohne Schaden für die Biodiversität, am gesunden Boden, usw.

  • Fun Fact: Der Gewinn je Arbeitskraft beim Biobauern liegt jährlich übrigens 4.000 Euro über dem des konventionellen Bauern (Quelle: BLE). Böse Zungen mögen behaupten, dass das vielleicht auch daran liegt, dass man nicht die vielen Mittelchen aus dem Chemie- und Giftfass benötigt.

„Die Agrarpolitik hat Schuld“

Dem umweltbewussten Hobbygärtner zahlt keiner was. Wobei nachhaltiges Wirtschaften auf der eigenen Parzelle eigentlich belohnt gehört. Und der Grund hierfür ist einfach, denn viele Hausgärtner gleichen mit den entsprechend-nachhaltigen Maßnahmen das aus, was die Landwirtschaft anrichtet. Wieso erklärt mein Beitrag Studie zu Wildbienen zeigen: Hausgärten retten Bienen.

Dagegen sind bäuerliche Existenzen, so hieß es ganz aktuell und nicht das erste Mal bei der EU-Agrarministerkonferenz im rheinland-pfälzischen Koblenz, gefährdet. Auch und gerade durch die EU-Agrarpolitik wurde argumentiert.

Soweit so gut und teils richtig. Wenn die Erben des Discounters Aldi in Ostdeutschland 2.000 Hektar Land über eine Stiftung kaufen, dann gibt es jede Menge Agrarsubventionen frei Haus. Geld im großen Stil kann man fast nicht besser anlegen, denn die Prämien sind immer gleich: Gleich, ob wenig oder viel Land. Im Falle der Aldi-Stiftung werden jährlich fast eine halbe Million Euro bereitwillig ausbezahlt. Ein Umstand den die Bauernschaft zurecht bemängelt. Eine sinnvollere Verteilung müsste her.

Das große „Aber“: Ein Haupterwerbsbauer kann heute nur noch existieren, weil die EU (und Deutschland) Beihilfen überweist, die im Schnitt 46 % seiner Einnahmen ausmachen (93 % bei Nebenerwerbsbauern). Das wird bei der ganzen Diskussion vergessen.

Für diesen Umstand kann die EU letztlich nichts. Vielmehr liegt es daran, dass hierzulande fünf Handelsketten den Preis diktieren. Und dieser entsteht aus einem Mix aus Gewinnmaximierung, der „Geiz ist geil“-Mentalität der Konsumenten, Lobbyarbeit und staatlicher Duldung. Da wirkt die geplante Tierwohlabgabe von 50 ct pro Kilo Hackfleisch (Preis im Discounter im „Idealfall“ 3,59 €/Kg) oder Nackensteak (4,44 €/Kg) mit dem Ziel die Haltungsverhältnisse von Nutztieren zu ändern, doch etwas wie Hohn, denn 4,09 Euro oder 4,94 Euro sind keine Endpreise mit denen der Tierhalter nachhaltige Besserungen schaffen kann.

Nur ein Wort zur Nutztierhaltung

So sollten Schweine leben… Foto: Pixybay.com/Lichtsammler5

Hierzu möchte ich gar nicht so viel sagen, weil die konventionelle Tierhaltung echt ein Graus ist. Anbindehaltung als übliche Haltungsform für Kühe, Ständerhaltung für die arme Sau, dessen Verbot wohl mit einer Übergangsfrist von 15 Jahren kommt, die nur noch liegen kann oder stehen und hierbei, pardon, zurecht völlig bekloppt wird. Noch mehr sicher, wenn sie 10 Wochen auf dem Boden als Dauermilchlieferant fixiert ist, wenn sie mal wieder Junge hat (7 x in 2,5 Jahren meist, dann war es das und sie wird geschlachtet, weil nicht mehr produktiv), die sie so nicht erdrücken soll, was den Gewinn maximiert.

Warum ich die Nutztierhaltung trotzdem erwähne? Weil sie eben zur Landwirtschaft gehört und die Auswirkung dessen, Stichwort Tierqual, schneller ersichtlich sind als bei jenen, die „nur“ das Ackerland bearbeiten. Und da wäre noch das, ein Paradebeispiel wiederum für das, was alles so falsch läuft:

Nehmen wir mal Hühner. Es ist es ein absoluter Trend, Hühner im eigenen Garten zu halten. Zumindest, wenn der Platz vorhanden ist. Hier empfiehlt jede Ratgeberseite, jedem Huhn 10 bis 20 m² Auslauf zu gönnen. Scharren, sandbaden, herumstolzieren und neugierig picken. Das ist ein Hühnerleben.

Nehmen wir dagegen die Bodenhaltung, was nichts anderes als Käfighaltung ist. Nur eben im XXL-Wohnkomplex, der so manchen Wolkenkratzer übertrifft, zumindest was die Anwohnerzahl angeht. In einem handelsüblichen Stall dürfen 9 Hühner auf einen Quadratmeter passen. Wird die viel geschicktere – das ist jetzt zynisch gemeint – Volieren-Haltung mit Stangen und mehreren freizugänglichen Ebenen gewählt, dann darf es die doppelte Anzahl sein.

Anstatt um Pestizide geht es hier um Antibiotika, auch sogenannte Reserveantibiotika von denen jährlich Unmengen verabreicht werden.

Übrigens: Wenn man dann noch die Flächen für energetisch genutzte Pflanzen, für Biogasanlagen oder als Spritzusatz, nachhaltiger nutzen würde, wäre viel erreicht. Immerhin sind dies acht Prozent der landwirtschaftlichen Fläche im Schnitt. Mancherorts wie im Süden Baden-Württembergs sind es noch weitaus mehr.

Öko kann Menschen ernähren

Wie das Informationsportal Ökolandbau schreibt: „konventionelle Landwirtschaft ist zwar hoch produktiv, hat aber die Ernährungskrise nicht verhindern können. Sie schädigt die Ernährungsgrundlagen – Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit, Klima, Meeres-Ökosysteme – und übernutzt endliche Ressourcen,  wie zum Beispiel Energie oder Phosphat. Die Entwicklung eines neuen Landwirtschaft- und Ernährungssystems ist deshalb unabdingbar.“

„Der ökologische Landbau taugt dafür als Leitbild“, heißt es weiter auf der Internetseite. Es gibt zahlreiche Beispiele, etwa auf der Internetseite der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, dass das funktioniert und hoch produktiv ist. 

„Wenn wir den Fleischverbrauch auf ein gesundheitsverträgliches Maß reduzieren, Lebensmittelverschwendung und Nachernteverluste vermindern und den Acker nicht als Treibstoffquelle missbrauchen, kann mit seiner Methode heute schon ausreichend Nahrung für eine wachsende Weltbevölkerung erzeugt werden,“ so Ökolandbau.de. 

Positivbeispiel: Insel Reichenau, Bio- und integrierte Landwirtschaft

Integrierte Landwirtschaft und 30 % Bioanbau. Die Gemüseinsel Reichenau ist ein Vorzeigeprojekt, das spielend leicht nachzuahmen wäre… Foto (c): Reichenau Gemüse eG
  • „Wenn sich der Bauer nicht bückt, so ackert er nicht gut.“ Ein alter Spruch, der viel Wahrheit birgt.

Ein Paradebeispiel für Qualitäts-Obst und -Gemüse ist die Insel Reichenau. Die Insel im Bodensee, einige Hektar auf dem „Festland“ inklusive, ist das südlichste Gemüseanbaugebiet Deutschlands. Die 170 Gemüsebauern, die in der Reichenau-Gemüse eG als Genossenschaft zusammengeschlossen sind, produzieren auf 98 Hektar Freifläche und in 54 Hektar Gewächshäusern 16.000 Tonnen Gemüse für eine ganze Region.

Hier wird sehr viel richtig gemacht. Die insgesamt 70 kultivierten Obst- und Gemüsesorten werden zu überdurchschnittlichen 30 Prozent in Bioqualität produziert. Der Rest in sogenannter integrierter Landwirtschaft. Bei dieser Form der Landwirtschaft wird zwar konventionell gearbeitet, aber so schonend es geht. Das fängt bei der Auswahl der Sorten an und dem richtigen Standort und es werden Nützlinge gegen Schädlinge eingesetzt, um möglichst keine Schädlingsbekämpfungsmittel einzusetzen. „Ich muss als Gärtner sehr große Mengen Gemüse produzieren zu einem möglichst günstigen Preis, sagt die Fachfrau für Nützlingseinsatz auf der Insel, Constanze Wagner. Und weiter sagt sie: „Das muss ich auch auf möglichst gesunde Art und Weise leisten“. Hierzu müsse man entsprechend die Flächen und Produktionsmethoden anpassen, eventuell auf jene Kulturen spezialisieren, die sich auch rentieren. Das Gegenteil von vorher beschriebenem Mangel an Kulturvielfalt in der Landwirtschaft. Ach ja, betriebswirtschaftlich fit sollte man auch sein und es ist eben sehr viel Handarbeit nötig, heißt es weiter in dem Video.

Jetzt mag man einwenden, dass diese Gewächshäuser sicher sehr energieintensiv sind. Mag sein, nur werden die mit Energie einer Biogasanlage beheizt, die mit Apfeltrester und Pferdemist betrieben wird. Der Apfeltrester fällt in direkter Nachbarschaft an, da die Bodenseeregion ein Apfelanbauregion ist. Gegossen wird bei den neueren Gewächshäusern mehrheitlich mit Wasser vom Gewächshausdach. Der Rest kommt aus dem Bodensee.

Das sehr interessante Imagevideo

Ich war dort, habe mir die Insel angeschaut und auch einen Großeinkauf direkt vor Ort gemacht. Sehr gute Qualität! Für die die Menschen Schlange standen.

Wann kommt ein Umdenken?

Mein persönliches Fazit: Landwirte sollten mehr Verantwortung tragen. Für das Land, für jedes einzelne Tier. Und vermehrt auf Qualität und nicht unbedingt nur Quantität setzen. Komischerweise können das Ökolandwirte, die Gemüsebauern auf der Insel Reichenau. Und die naturnah gärtnernden Grundstücks- oder Schrebergartenbesitzer.

Vielleicht würden sie dann auch aus dem Hamsterrad der Preisdiktatur durch den Handel kommen. Denn das das Setzen auf Qualität erfolgreich ist, das sagt und zeigt das Beispiel der Genossenschaft der Insel Reichenau oder der Öko-Kartoffelbauern, die mehr als der konventionelle Landwirte verdienen.

Und apropos Reichenau: Wie wäre es, von dem massenhaften Anbau von Wintergetreide oder Energiepflanzen wegzukommen und ein paar Hektar Gemüse anzubauen, mit mehreren Folgekulturen im Jahr, die man dann regional vermarktet? Im Gemüseland Rheinland-Pfalz gelingt das übrigens auch.

Jedenfalls heißt es in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie: Bis 2030 sollen 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch bewirtschaftet werden. Die Reichenau hat das bereits übertroffen. So viele Hobbygärtner gibt es sicher auch. Warum legen die Landwirte nicht los und sei es mit der konsequenten integrierten Landwirtschaft, die ebenso selten wie die Biolandwirtschaft ist?

Nur noch so viel: Ich weiß aus dem Weinanbaugebiet an der Deutschen Weinstraße in Rheinland-Pfalz, in meiner direkten Nachbarschaft, das hier bereits viele der ansässigen Winzer ökologisch arbeiten. Sie lassen sich nicht unbedingt zertifizieren, schließlich kostet dies auch Geld und Zeit. Nur: Auch sie haben wie die süddeutschen Gemüsebauern – und wir Hobbygärtner – erkannt, das ökologisch ackern nachhaltig Sinn macht.

Jene Bauern, die mit ihren großen Traktoren zur Sternfahrt nach Berlin oder wie unlängst nach Koblenz fahren, haben die Zeichen der Zeit wohl noch nicht erkannt. Nur das noch: Der für diese Fahrten verbrauchte Dieselkraftstoff wird sogar steuerlich begünstigt. Bis 10.000 Liter Kraftstoff (225,60€ je 1.000 L Rückerstattung) können jährlich abgesetzt werden. Laut Wikipedia sind das 400 Mio. € Steuermindereinnahmen. Es sei den Landwirten gegönnt. In der allerbesten Position sind sie ja wirklich nicht. Doch nur sie selbst könnten daran etwas ändern. Die Politik bräuchten sie hierzu gar nicht… Aber die Natur braucht es dringend.

Ein Anfang wäre gemacht, wenn Landwirte mal ein kleines Stück Land einfach sich selbst überlassen, es im Idealfall gar renaturieren. Der Ornithologe Dr. Bauer fordert dies jedenfalls, anstatt das ganze Land zu 100 Prozent voll landwirtschaftlich zu nutzen. Dann hätten Insekten, Vögel und anderes Getier wenigstens einen Hot Spot, der ihr Überleben sichert. Würde das jeder machen, dann könnte sich hieraus im Idealfall ein Biotopverbund entwickeln. Ohne große Kosten und Aufwand könnte hier viel bewirkt werden. Damit würden Landwirte der Verantwortung gerecht werden, die sie eigentlich schon immer für ihr Land und dessen Gäste tragen.

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